Wie du aufhörst, deine Gedanken zu glauben

Veröffentlicht am 13. August 2025 um 14:46

Warum Gedanken nicht die Wahrheit sind

(... und wie ich gelernt habe, meinem inneren Drama-Regisseur nicht alles zu glauben)

Let's go!
Vor ein paar Wochen lag ich abends im Bett. Am nächsten Tag stand für mich ein Ultratrail an – ein Lauf, auf den ich mich schon seit Monaten gefreut hatte.
Ich war eigentlich müde, bereit, die Augen zu schliessen, als plötzlich diese Gedanken in meinem Kopf auftauchten:
„Du schaffst das nicht.“
„Du hast zu wenig trainiert.“
„Was, wenn du mittendrin aufgeben musst?“

Innerhalb von Sekunden verwandelte sich meine Vorfreude in ein kleines Horrorszenario. Mein Herzschlag wurde schneller, meine Muskeln spannten sich an, und in meinem Kopf lief schon der Film von mir, wie ich völlig erschöpft am Streckenrand sitze. Das Komische? Ich lag einfach nur im Dunkeln, in einem warmen Bett, und nichts davon war real.

Genau da wurde mir wieder bewusst: Gedanken fühlen sich oft unglaublich echt an – aber das bedeutet nicht, dass sie wahr sind.
Sie sind wie diese nervigen Pop-ups am Computer: Sie springen einfach auf, wollen deine Aufmerksamkeit – und du entscheidest, ob du darauf klickst oder sie wegklickst.

Was in unserem Kopf wirklich passiert:

Gedanken sind im Grunde nur elektrische Signale in unserem Gehirn. Sie entstehen aus Erinnerungen, Erfahrungen, Sinneseindrücken und Emotionen – oft so schnell, dass wir gar nicht merken, wie sie kommen.
Das Problem: Unser Gehirn unterscheidet nicht immer zwischen Vorstellung und Realität. Wenn ein Gedanke wie „Das wird zu hart für dich“ auftaucht, reagiert der Körper oft so, als wäre die Gefahr schon da: Herzschlag hoch, Atmung flach, Anspannung überall.

Das Gute: Gedanken sind wie Wolken. Sie kommen, sie verändern ihre Form, sie ziehen weiter – wenn wir sie nicht festhalten. Wir sind nicht gezwungen, sie zu glauben. Wir dürfen sie hinterfragen.

1. Dein Gehirn ist kreativ – manchmal zu kreativ

Unser Kopf ist wie ein Drehbuchautor, der Drama liebt – egal ob die Story stimmt oder nicht.

  • „Mein Chef hat heute nicht gegrüsst – er mag mich nicht mehr.“

  • „Sie hat nicht zurückgeschrieben – sie ist bestimmt sauer.“

  • „Ich habe einmal Nein gesagt – jetzt finden mich alle schwierig.“

Auch beim Laufen kenne ich das: Ein kleiner Zweifel kann sich in eine riesige Katastrophengeschichte verwandeln. Aber nur weil mein Kopf diesen Film abspielt, heisst das nicht, dass er auf wahren Begebenheiten beruht.

2. Gedanken sind keine Fakten

Dieser Satz hat für mich alles verändert: „Gedanken sind keine Fakten.“
Sie sind Interpretationen, Bewertungen – manchmal reine Fantasie.
Wenn mein innerer Kritiker ruft: „Du bist nicht gut genug“, stelle ich mir vor, wie dieser Satz vor ein Gericht muss. Ohne Beweise wird er sofort abgewiesen.

3. Dein innerer Kommentator ist parteiisch

Unser Denken ist selten neutral. Es hängt von Tagesform, Hormonen, Erlebnissen – ja, sogar vom Wetter oder dem letzten Snack ab.

  • Montagmorgen nach zu wenig Schlaf: „Alles ist sinnlos.“

  • Freitagabend nach einem guten Training: „Das Leben ist wunderschön.“

Das zeigt: Gedanken spiegeln oft nur unsere aktuelle Stimmung – nicht die objektive Wahrheit.

4. Wie ich heute mit meinen Gedanken umgehe

  • Beobachten statt glauben: Gedanken sind wie Wolken – manche hell und leicht, andere dunkel und schwer. Alle ziehen vorbei, wenn ich sie nicht festhalte.

  • Fragen stellen: „Ist das wirklich wahr? Habe ich Beweise dafür?“

  • Humor nutzen: Wenn mein Kopf Drama macht, sage ich innerlich: „Danke, liebe Gedanken-Redaktion, aber ich entscheide selbst, ob das veröffentlicht wird.“

  • Körper einschalten: Bewegung, Dehnen oder bewusstes Atmen bringen mich raus aus dem Kopfkino und zurück ins Jetzt.

Mein Fazit

Ob bei einem Ultratrail oder mitten im Alltag – der Moment, in dem ich verstanden habe, dass Gedanken nicht automatisch die Wahrheit sind, war wie ein innerer Befreiungsschlag.
Heute höre ich meinem Kopfkino zwar noch zu – aber ich bestimme, ob ich die Hauptrolle spiele oder lieber Popcorn hole und entspannt zuschaue.

Und ganz ehrlich: Die meisten Dramen lösen sich von selbst in Luft auf, wenn man ihnen einfach keine Bühne mehr gibt.

 

Dein Kopf wird immer wieder versuchen, dir wilde Geschichten zu erzählen – manchmal Komödie, manchmal Drama, manchmal Horror. Aber du bist nicht verpflichtet, jedes Ticket zu kaufen. Du kannst auch sagen: ‘Danke, aber heute schaue ich lieber einen anderen Film.’ Je öfter du das übst, desto klarer wird dir: Du bist nicht deine Gedanken. Du bist das Bewusstsein, das entscheidet, welche davon bleiben dürfen – und welche direkt in den Abspann geschickt werden. Und genau da fängt echte innere Freiheit an.

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